Ein 0:0-Unentschieden gegen Jamaika – und plötzlich steht die Welt auf dem Kopf. Curaçao, ein winziger Karibikstaat mit gerade mal 156.115 Einwohnern, hat sich am FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2026Nordamerika als erstmals qualifizierte Nation für eine Weltmeisterschaft durchgesetzt. Die Partie im National Stadium in Kingston, am 19. November 2025, war kein Spektakel – doch sie war alles. Ein Punkt reichte. Ein Punkt, der Geschichte schrieb.
Ein Triumph der Kleinen
Curaçao, eine Insel vor der Küste Venezuelas, ist kleiner als viele deutsche Stadtteile – und doch größer als jede WM-Qualifikation, die man sich vorstellen kann. Mit einer Fläche von 444 Quadratkilometern ist sie doppelt so groß wie Chemnitz, doch in puncto Bevölkerung ist sie die kleinste Nation, die je eine WM-Endrunde erreicht hat. Kein Land der Welt hat weniger Menschen, das jemals die Qualifikation für die größte Sportveranstaltung der Erde geschafft hat. Und das, obwohl es keine Profiliga hat, keine riesigen Stadien und kaum staatliche Förderung. Was es hat? Leidenschaft. Und eine bemerkenswerte Verbindung zu den Niederlanden.Der Mann, der nicht da war
Der Architekt dieses Erfolgs ist Dick Advocaat, der 78-jährige niederländische Trainer, der seit 2024 die Nationalmannschaft führt. Advocaat, ein Mann mit einer Karriere, die von PSV Eindhoven über die Glasgow Rangers bis zum Halbfinale der EM 2004 reicht, hat seine Mannschaft in zehn Qualifikationsspielen ohne eine einzige Niederlage geführt. Zehn Spiele. Kein Verlust. Nicht mal ein Punkt verloren. Die FIFA nennt es "herausragend". Doch Advocaat war nicht in Kingston. Er blieb zu Hause. "Die Familie ist wichtiger als Fußball", sagte er vorher – und damit hat er nicht nur Respekt verdient, sondern auch ein Stück Menschlichkeit in eine Welt gebracht, die oft nur nach Siegen und Titeln fragt.Die Spieler, die aus den Niederlanden kamen
Curaçao ist kein unabhängiger Staat im klassischen Sinn – es ist ein Land innerhalb des Königreichs der Niederlande. Und das hat Konsequenzen. Viele Spieler, die für Curaçao auflaufen, wurden in den Niederlanden geboren, spielen dort in den Jugendakademien oder in den unteren Ligen. Einer von ihnen: Jordi Paulina. Der 21-Jährige, der für die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund in der Regionalliga West spielt, schoss zwei Tore beim 7:0 gegen Bermuda. Er ist kein Star, kein Weltklasse-Spieler – aber er ist ein Teil von etwas Größerem. Die taz spricht von einer "demografischen Brücke" zwischen den Niederlanden und der Karibik, die diese WM-Qualifikation erst möglich machte. Ohne diese Verbindungen, ohne die Infrastruktur der niederländischen Liga, ohne die Bereitschaft junger Spieler, für Curaçao zu spielen – wäre das alles undenkbar.
Ein Tag, der die Karibik veränderte
Am selben Tag, als Curaçao feierte, erlebte auch Haiti einen Moment, der 52 Jahre auf sich warten ließ. Nach der WM 1974 kehrte die Nation nicht mehr zurück – bis jetzt. Ein 2:0 gegen Nicaragua, und die Emotionen brachen wie ein Sturm über Port-au-Prince herein. Panama, das mit 3:0 gegen El Salvador siegte, feierte seine zweite WM-Teilnahme. Und Schottland? Im Hampden Park, in einem der lautesten Stadien Europas, schlugen die Dänen in der Nachspielzeit – ein Spiel, das die ganze Welt sah. Doch während Europa mit Play-offs und Relegationen kämpft, feierte die Karibik: Curaçao, Haiti, Panama – drei Nationen, die nicht zur Weltspitze gehören, doch jetzt auf dem größten Bühne der Welt stehen.Was kommt jetzt?
Die WM 2026 findet in den USA, Kanada und Mexiko statt. 48 Mannschaften spielen – und Curaçao ist eine davon. Die Vorbereitung beginnt jetzt. Keine großen Trainingslager in der Schweiz, keine teuren Testspiele gegen Top-Nationen. Stattdessen: Freundschaftsspiele gegen andere kleine Länder, vielleicht gegen Aruba oder Suriname. Die Spieler müssen ihre Jobs neben dem Fußball bewältigen. Paulina spielt in der Regionalliga – er ist kein Vollprofispieler. Aber er ist ein Weltmeisterschaftsspieler. Und das zählt.
Warum das alles so wichtig ist
Diese Qualifikation ist kein Zufall. Sie ist ein Statement. Sie sagt: Sport ist nicht nur für die Reichen, die Mächtigen, die mit Milliarden investieren. Er ist auch für die, die kaum eine Straße haben, die kaum einen Trainer bezahlen können, die aber trotzdem träumen. Curaçao hat nicht gewonnen, weil es besser war. Es hat gewonnen, weil es zusammenhielt. Weil es glaubte. Weil es nicht aufgab.Ein 0:0. Ein Punkt. Ein Traum. Und eine Welt, die plötzlich anders aussieht.
Frequently Asked Questions
Wie konnte Curaçao ohne eigene Profiliga eine WM-Qualifikation schaffen?
Curaçao nutzt seine Verbindung zu den Niederlanden: Viele Spieler wurden dort geboren, durchlaufen niederländische Jugendakademien und spielen in unteren Ligen wie der Regionalliga. Diese Infrastruktur ermöglicht es, qualitativ hochwertige Spieler zu rekrutieren, ohne eine eigene Profiliga zu benötigen. Der Trainer Dick Advocaat baute ein Team aus diesen Spielern auf, das taktisch diszipliniert und mental stark war.
Warum ist Curaçao die kleinste Nation, die je eine WM erreichte?
Mit 156.115 Einwohnern ist Curaçao kleiner als jede andere WM-Teilnehmer-Nation in der Geschichte. Selbst kleinere Länder wie San Marino oder Liechtenstein haben nie die WM-Qualifikation geschafft. Die Kombination aus dem niederländischen Spielerpool, der stabilen Führung durch Advocaat und der Team-Disziplin machte diesen historischen Schritt möglich – ein Beweis, dass Größe nicht alles ist.
Was bedeutet diese Qualifikation für andere kleine Länder?
Curaçao zeigt, dass auch Länder ohne große Ressourcen erfolgreich sein können – wenn sie ihre Stärken nutzen. Haiti, das nach 52 Jahren wieder dabei ist, oder die Färöer-Inseln, die in der EM-Qualifikation aufgefallen sind, folgen einem ähnlichen Muster: starke Gemeinschaft, klare Führung, Nutzung von Diaspora-Netzwerken. Es ist ein Leitbild für die Zukunft des Fußballs, das nicht nur auf Geld setzt, sondern auf Identität.
Warum war Dick Advocaat nicht bei der entscheidenden Partie?
Advocaat entschied sich aus familiären Gründen, nicht nach Jamaika zu reisen – eine seltene, aber tief menschliche Entscheidung in einer Welt, die Trainer oft als Maschinen sieht. Er hatte bereits vorher erklärt, dass seine Familie Vorrang hat. Sein Erfolg zeigt: Man kann großartig führen, auch wenn man nicht physisch dabei ist – wenn das Team vertraut und vorbereitet ist.
Wie wird Curaçao seine WM-Vorbereitung finanzieren?
Die Finanzierung erfolgt über den niederländischen Fußballverband (KNVB), private Sponsoren und Spenden aus der karibischen Diaspora. Einige Spieler zahlen ihre eigenen Reisekosten. Die FIFA stellt zwar Teilnahmegelder bereit, aber für ein Team dieser Größenordnung reicht das kaum. Dennoch: Die Motivation ist höher als das Budget – und das macht den Erfolg noch beeindruckender.
Welche Gegner könnte Curaçao in der WM-Endrunde erwarten?
Die Auslosung erfolgt im Dezember 2025. Curaçao könnte in eine Gruppe mit den USA, Mexiko oder Kanada geraten – aber auch mit Europa-Mannschaften wie Spanien oder Deutschland. Selbst als Underdog wäre ein Unentschieden gegen eine Top-Nation kein Traum, sondern ein mögliches Wunder – wie es schon bei Trinidad und Tobago 2006 oder Island 2018 geschah.